Die bunten Heißluftballone am Himmel gehören vielerorts zu den touristischen Attraktionen. Dass sie aber als Sinnbild eines Friedensfestes gelten, ist nicht selbstverständlich. Ein Besuch beim Ballonfestival der belgischen Stadt Sint-Niklaas, wo die Ballone im Zeichen des Friedens in die Luft gehen.
Nirgendwo auf der Welt sollen „so viele Ballonpiloten wohnen wie in der belgischen Region Waasland“. Und kein anderer Ort der Welt assoziiert sich so gern mit den Heißluftballonen wie die Stadt Sint-Niklaas in dieser Region. Der Grund dafür ist das Ballonfestival der Stadt, das jährlich in der ersten Septemberwoche im Rahmen der Friedensfeste stattfindet.
Obwohl die berühmten „Vredefeesten“ der Stadt Sint-Niklaas mehr als ein Meeting der Ballonliebhaber sind, verleihen die zahlreichen Heißluftballone von unterschiedlichen Farben, Formen und Größen den Festlichkeiten jedoch ein unverwechselbares Markenzeichen. Vielleicht gerade deshalb zieht die Stadt mehr als 100 tausend Besucher während ihres Volksfestes an. Neben den Konzerten und Leckereien fast aus aller Welt bestaunen die Besucher die Ballone, die in vier Schichten am ruhigen Himmel schweben.
Dass die bunten Heißluftballone am Himmel vielerorts zu den touristischen Attraktionen gehören, ist eine Selbstverständlichkeit. Dass sie aber als Sinnbild eines Friedensfestes im Vordergrund stehen und tausende Menschen anziehen, ist eine erklärungsbedürftige Sache. Was haben die Heißluftballone eigentlich mit dem Frieden zu tun? Warum gerade in Sint-Niklaas werden sie mit dem Frieden in Verbindung gebracht?
Die Antwort liegt in der Geschichte dieser Festivitäten. Die heutigen Friedensfeste der „Stad Sint-Niklaas“ sind auf die patriotischen Feierlichkeiten der Stadt zurückzuführen. Die sogenannten „Bevrijdingsfeesten“ entstanden wiederum in 1948, als die Stadt ihre Befreiung vom Zweiten Weltkrieg würdevoll feiern und der Opfer der grausamen Kriegsjahre gedenken wollte. Als Symbolbild der Befreiung ließ man damals die zahlreichen Ballone in die Luft steigen. Ab 1973 durften die Heißluftballone, anlässlich dieser Zeremonien, in die Luft gehen, 1988 kamen die „Spezialformballone“ dazu.
Im Laufe der Jahre wurden nicht nur die Formen und Gasfüllungen der Ballone verändert, auch die Feierlichkeiten wurden einem Wandel unterzogen. Und zwar sowohl sinnbildlich als auch namentlich. Was als eine Befreiungszeremonie begonnen hatte, entwickelte sich zu einem geselligen Fest. So wurden aus den „Befreiungsfesten“ die „positiv klingenden Friedensfeste“. Schließlich haben die Festivitäten in 2005 die Form eines Volksfestes angenommen. Obwohl die Stad Sint-Niklaas am dritten Tag dieses Festes der Opfer des Zweiten Weltkrieges immer noch gedenkt, finden die Feierlichkeiten heutzutage jedoch im Zeichen des „Friedens, der Solidarität, Diversität und Nachhaltigkeit“ statt, wie Organisatoren in ihrer Pressemitteilung gerne zum Ausdruck bringen.
Die „Vredefeesten“ der Stadt Sint-Niklaas wurden im letzten Jahr, wie jede andere Großveranstaltung, ein Opfer der Corona-Maßnahmen. Dank der Impfungen durfte das über die Stadt hinaus beliebte Volksfest in diesem September 2021 wieder stattfinden. Wie immer sollte es unterhaltsam, aber wegen der Pandemie „anders“ sein. Zum Beispiel durften die Besucher das Ballonmeeting nicht mehr am bekannten Ort aus der Nähe beobachten. Denn die Organisatoren ließen in diesem Jahr die Heißluftballone von einem „geheimen Startplatz“ in die Luft steigen und es durften nur die Ballonteams und Passagiere sowie Journalisten diesen Ort betreten.
Durch die freundliche Einladung des Bürgermeisters Herrn Lieven Dehandschutter im Namen der Stad Sint-Niklaas, habe ich auch die Gelegenheit bekommen, dieses Ballonfestival hautnah zu erleben und mir selbst ein Bild von diesem berühmten Volksfest machen können.
Als ich am vergangenen Samstag den Startplatz betrat, wurde ich mit einer angenehmen Überraschung konfrontiert. Nachdem der Pilot des mir zugewiesenen Ballons, Jan Thijs, bei der Begrüßung von meinem Auftrag für deutschsprachige Medien erfuhr, lächelte er freundlich und sagte: „Sprechen Sie ruhig Deutsch“.
Das haben wir auch getan. Das Ballonteam, das eigentlich aus einer Familie besteht, spricht nämlich untereinander auch Deutsch. Denn die Familie, die sich vor Jahren in Belgien niedergelassen hat, hat deutsche Wurzeln.
Sobald ich die Regeln, die beim Start, Flug und der Landung zu beachten sind, begriffen hatte und die Flagge am Rande des Startplatzes auf „grün“ gesetzt wurde, hob Herr Thijs ab. Während unser Ballon vom sanften Septemberwind eingefangen wurde und wir die optimale Höhe erreicht hatten, gab mir Herr Thijs gerne einige Informationen.
Jan Thijs ist ein erfahrener und leidenschaftlicher Ballonfahrer. Er ist seit 31 Jahren auf dem Parkett und die Sache macht ihm immer noch viel Spaß. Geboren in Sint-Niklaas, fühlte er sich schon als Kind vom Ballonfahren angezogen.
Als erstes möchte ich von ihm wissen, warum sein Ballon, im Gegensatz zu den vielen anderen, keine Werbelogos darauf hat oder den Namen eines Sponsors trägt. „Ich mache nicht kommerziell, nur für Spaß“ sagt Herr Thijs und fügt hinzu: „Kommerziell ist viel voll zu tun“.
Auch ein Sponsoring kommt für ihn nicht in Frage, obwohl die Umstände dafür günstig wären. „Gesetzlich schwer ist es nicht. Da musst Du aber wieder andere Sachen beachten, wenn Du für die Sponsoren fährst. Ich fahre nur, wenn ich Bock darauf habe“, so Thijs. Er freut sich auch darüber, im Rahmen der Friedensfeste der Stadt Sint-Niklaas, bei dieser Angelegenheit mitzumachen. „Es ist schön dabei zu sein“ sagt er und empfiehlt jungen Menschen auch Ballon zu fahren. Denn für Herr Thijs ist Ballonfahren eine Art von Hafen Ruhe und Freiheit. „Ich komme immer zur Ruhe“ sagt er sichtlich gelassen und erklärt weiter: „Wenn ich oben bin, kann ich zur Ruhe kommen und mal den Stress vom Tag abfallen lassen“.
Nach einem herrlichen Flug über die Dörfer und Felder des Waasland landen wir auf einer Wiese unweit eines anderen Ballons. Jan Thijs teilt die Koordinaten des Landungsplatzes an sein Team mit und hält den Ballon unter seiner Kontrolle bis die Teammitglieder für die Demontage eintreffen.
Und ich verstehe endlich, warum die Ballone als Sinnbild für die Friedensfeste der Stadt Sint-Niklaas gelten und was für eine Mühe und Leidenschaft hinter dieser schönen Tradition stehen.
Fotos: Ünal Bilir / Ballonfestival im Rahmen der Vredefeesten der Stadt Sint-Niklaas in Belgien.