Es ist hinlänglich bekannt, woher die Fragmentierung in Links und Rechts des politischen Spektrums herrührt. Nach der französischen Revolution saßen die Monarchisten rechts in der verfassungsgebenden Nationalversammlung von 1789, während die Republikaner links saßen, deren Ziel die Veränderung der politisch-sozialen Verhältnisse war. Diese Sitzordnung etablierte sich mit der Zeit, so dass beide Richtungen zwei unterschiedliche, manchmal sogar entgegengesetzte, politische Weltsichten symbolisieren.
Im Verlauf der Geschichte breitete sich das Verständnis von Links und Rechts in Europa aus, um von dort in die ganze getragen zu werden. Dabei gab es sowohl viele Bedeutungsverschiebungen als auch neue Ansichten, mit denen beide Lager bereichert wurden. Selbst in Frankreich bedeutet Links und Rechts was anderes als in den Revolutionstagen. Es hat sich zu zwei vielschichtigen Konzepten entwickelt, die Positionen zu vielen Themen wie Ökonomie, Ökologie, Staat, Religion, Nationalismus und Wissenschaft mit unterschiedlichen Bedeutungen in verschiedenen Ländern darstellen.
Trotz der weitgefächerten Differenzierungen gibt es gemeinsame Werte, die diese beiden Konzepte global vertreten. Mit Links werden Begriffe wie Freiheit, Gleichheit, soziale Gerechtigkeit, Arbeiterrechte, Umwelt und Sekularismus verbunden. Mit Rechts verbindet man Begriffe wie Nationalismus, Freier Markt, Freier Wettbewerb, Familie, Tratidion und sogar Religiosität. Man kann über diese Begriffe diskutieren und sogar andere Begriffe hinzufügen.
Mir geht es nicht darum, diese komplexen Konzepte, die Gegenstand von Sozialwissenschaftlern sind, hier letztgültig zu erläutern. Das Ziel ist vielmehr eine Zusammenfassung der Konzepte, um den Rahmen der Tehmatik zu erfassen:
Fast überall auf der Welt, von Amerika über Europa bis hin zur Türkei, fühlen sich religiöse Teile der Gesellschaften rechten Parteien nahe und unterstützen diese im Allgemeinen. Während also Religiöse rechten Parteien nahe stehen, sind sie von Werten weit entfernt, die die Linke repräsentiert. Zum Beispiel identifizieren sich religiöse Menschen mit Werten wie Nationalismus, Freien Wettbewerb, Tradition und die Starke Rolle des Staates, während sie sich zugleich von Werten wie Soziale Gerechtigkeit, Arbeiterrechten, Meinungsfreiheit und Glaubenfreiheit fernhalten. Infolgedessen reduzieren religiöse Menschen die Moral auf einige Werte, während sie andere sehr wichtige Werte verfehlen, die im Kern der Religion existieren.
Betrachten wir die Soziale Gerechtigkeit, einen der wichtigsten Diskurse der heutigen Linken. Ist die Idee Reichtum und Wohlstand so gleichmäßig wie möglich zu verteilen, nicht etwas was die Ordensleute zuerst verteidigen sollten? Die Gründer großer Religionen und deren Nachfolger haben ein Leben in Armut bevorzugt und sich mit den Unterdrückten solidarisiert. Aber in der heutigen Zeit findet man kaum eine religiöse Gruppe, die sich den Kampf für soziale Gerechtigkeit auf die Fahnen geschrieben hat. Auch andere Themen wie Arbeiterrechte, Umweltschutz, Frauenrechte sowie individuelle Freiheitsrechte sind leider nicht Werte, um deren Durchsetzung religiöse Menschen in der Geschichte einen politischen Kamp geführt haben. Auch wenn es Unterschiede in einigen Ländern gab, so war es leider im Allgemeinen. Über all diese Themen können sie sehr beeindruckende Predigten hören, aber sie werden kaum eine religiöse Gruppe finden, die systematisch an der Lösung dieser Probleme arbeitet.
Schauen sie sich die Religiösen in den USA an. Wie sie sich mit ihrer Antiflüchtlingshaltung, dem extremen Nationalismus, ihrem Glauben an die militärische Stärke, ihrer Kriegsverherrlichung und ihrem „Club der Reichen“ mit den Republikanern identifizieren. Sie vermitteln nicht gerade den Eindruck wie Jesus Armen zu helfen oder den Unterdrückten beizustehen. Mal Angela Merkel ausgenommen, stehen die Christdemokraten zwar besser dar als ihre republikanischen Kollegen aus den USA, aber sehr große Unterschiede gibt es nicht.
Und die Türkei?
Ich frage mich, wann die Religiösen der Türkei sich Themen wie Arbeiterrechte, Frauenmorde, Umweltzerstörung, gerechte Verteilung des nationalen Einkommens und den Rechten der Kurden widmen werden.
Alle Religiösen, inklusive der Muslime, müssen sich mit ihren Fehlern aus vergangenen paar Jahrhunderten auseinandersetzen und Reue zeigen. Und sie müssen mitbedenken, wie viele Menschen durch ihre Haltung sich von der Religion abgewendet haben.
(Ein Gastbeitrag von Orhan Tarik, übersetzt aus dem Türkischen)