Ministerpräsident mit AfD-Schützenhilfe

Februar 13, 2020
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Als Kemmerich (FDP) mit Hilfe der AfD zum Ministerpräsidenten von Thüringen gewählt wurde lies der Aufschrei nicht lange auf sich warten. Zum ersten Mal konnte die Alternative für Deutschland bei einer Regierungsbildung auf Landesebene mitwirken. Was sich jetzt abspielt ist ein Fiasko. Keinen Tag später ist Kemmerich (FDP) zurückgetreten. Die FDP als auch die CDU versuchen händeringend jeden politischen Schaden von sich abzuwenden. Die Führungsschwäche von FDP und CDU wurden offensichtlich. Der Höhepunkt ist die Ankündigung der CDU-Bundesparteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer im kommenden Sommer als Parteivorsitzende und Kanzlerkandidatin zurückzutreten.

Es hätte nicht soweit kommen müssen

Der ursprüngliche Plan von CDU und FDP, einer rot-rot-grünen Regierungsbildung mit dem Ministerpräsidenten Ramelow (Die Linke) nicht zuzustimmen, wurde im dritten Wahlgang aufgegeben.  Da Grüne und SPD Ramelow als Ministerpräsident unterstützten, stellten sie keine eigenen Kandidaten auf. Trotz dessen reichte es mit 42 Sitzen in den ersten beiden Wahlgängen nicht für eine absolute Mehrheit. Der CDU-Landesparteichef Mike Mohring ließ sich nicht aufstellen, da er nicht ausschließen könne mit AfD-Stimmen ins Amt gewählt zu werden. Die FDP trat ohne einen potenziellen Kandidaten an. Einzig die AfD stellte mit Christoph Kindervater einen Konkurrenten auf, der allerdings von vorherein keine Chance auf eine Mehrheit hatte. Da in den ersten beiden Wahlgängen für beide Kandidaten, Ramelow und Kindervater, keine Mehrheit zustande kam, musste in der Folge ein dritter Wahlgang die Entscheidung bringen, in dem eine relative Mehrheit ausreicht. Wohlgemerkt, zu einer absoluten Mehrheit neben den Stimmen von Rot-Rot-Grün hätten lediglich vier CDU-/ oder FDP-Abgeordnete zustimmen müssen.  Doch im dritten Wahlgang kam es anderes. Die FDP stellte Thomas Kemmerich als Kandidaten auf und die CDU gab ihre zuvor erklärte Enthaltung, zugunsten einer Mehrheit für Kemmerich, auf. Mit Hilfe von CDU und AfD wurde FDP-Kandidat Thomas Kemmerich mit 45 Stimmen und einem Punkt Vorsprung vor dem ehemaligen Ministerpräsident Ramelow (44 Stimmen) zum Ministerpräsidenten von Thüringen gewählt. Von der Enthaltung abzurücken, wohlwissend mit Hilfe von AfD-Stimmen die Mehrheit zu erlangen, ist ein Skandal. Dieser wäre zu vermeiden gewesen, wenn CDU und FDP sich im dritten Wahlgang enthalten hätten.

In beiden Parteien offenbaren sich Führungsschwächen

Das ein FDP-Politiker mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, führte bundesweit für Proteste und Fassungslosigkeit. In den folgenden Tagen überschlugen sich die Ereignisse.

Vor allem die FDP und CDU müssen harsche Kritik einstecken. Politiker der SPD, der Grünen und der Linken forderten den Rücktritt Kemmerichs, um Neuwahlen zu ermöglichen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer kritisierten den Vorgang und forderten ebenfalls Neuwahlen. Laut AKK habe die CDU-Landtagsfraktion „ausdrücklich gegen die Empfehlungen, Forderungen und Bitten der Bundespartei“ gehandelt. Bei den Wählern hinterlässt es ebenfalls einen faden Beigeschmack. Der artikuliert sich lt. Infratest dimap in Stimmeinbußen: Die CDU kommt demnach nur noch auf 13 Prozent und verliert damit nahezu 9 Prozentpunkte, die FDP würde sogar mit 4 Prozent nicht mehr im Landtag vertreten sein.

AKKs Forderung an die SPD und die Grünen einen tragbaren Kandidaten zustellen sowie der Vorschlag von FDP-Bundesparteichef Lindner „einen unabhängigen Kandidaten ins Rennen zu schicken“ sind unglückliche Versuche die Verantwortung auf andere abzuwälzen. Außerdem sind Grüne und SPD sowie die FDP mit Stimmanteilen von 8 bzw. 5 Prozent nicht wirklich legitimiert einen Ministerpräsidenten zu stellen.

Der FDP-Chef Christian Lindner reagierte, indem er dem neuen Ministerpräsidenten zum Rücktritt bewegte, um den Weg für Neuwahlen frei zu machen. Kemmerich selbst lehnte Neuwahlen zunächst ab, um am 10.02.2020 doch mit sofortiger Wirkung zurückzutreten. Bodo Ramelow hatte unverzüglich angekündigt sich zu einer abermaligen Wahl für das Amt des Ministerpräsidenten zur Verfügung zu stellen. Die CDU sowie die FDP erklärten ihrerseits, sich nach wie vor enthalten zu wollen.

Während die FDP wenigstens bei der Fehlerkorrektur kohärent agiert, lässt sich das von der CDU nicht behaupten. Das mangelnde Durchsetzungsvermögen der CDU-Bundesparteichefin zeigte sich im Diskurs mit dem Thüringer CDU-Vorsitzenden Mike Mohring, indem sie die im Bundespräsidium beschlossene Neuwahlforderung nicht durchsetzen konnte. Damit stellte sich die Frage, ob AKK die Partei einigen und führen kann und mündete in der Ankündigung ihren Parteivorsitz und somit ihre Kanzlerkandidatur aufzugeben.

Präsenz der AfD setzt Landesparlamente unter Druck

Ein Ministerpräsident mit Hilfe von AfD-Stimmen ist ein Novum. Es ist ein Höhepunkt, jedoch kein neues Problem, dass seitdem Erstarken der AfD in den Landesparlamenten ein mehr und mehr wiederkehrendes Dilemma bei Mehrheitsbildungen hervorruft. Es zeigt unter welchem Druck das Parteiensystem bei Mehrheitsbildungen steht. Vor allem in ostdeutschen Landesparlamenten erschwert der hohe Anteil an AfD-Abgeordneten Koalitionsbildungen mit einer Regierungsmehrheit. Die daraus resultierenden schwachen Großen Koalitionen oder heterogenen Dreier- bzw. Viererkoalitionen stellen für parlamentarische Demokratien Risiken dar. Parteien sind gezwungen weit jenseits ihrer parteiideologischen Grenzen Zusammenschlüsse einzugehen, die unter normalen Umständen nicht zustande kommen würden. Das Christdemokraten und Liberale gegen eine linksgefärbte Regierung opponieren, kann als Naturgesetzt bezeichnet werden. Selbst AKK schloss eine Zusammenarbeit mit der Linken auf allen Ebenen aus. Für die FDP dürfte dasselbe gelten. Um die AfD zu vermeiden müssten CDU und FDP für die nächste Legislaturperiode einen linken Ministerpräsidenten dulden und gleichzeitig gegen die Minderheitsregierung opponieren, um die parteipolitischen Interessen ihrer Wähler zu befrieden. Abgeordnete verpflichten sich zwar mit ihrem Mandat gegenüber ihren Wählern, doch sind sie auch mit ihrem Gewissen dem Grundgesetz verpflichtet. Dass es die AfD nicht so genau nimmt mit dem Grundgesetz ist kein Geheimnis. Die Partei distanziert sich nicht von volkshetzerischen und rassistischen Aussagen und Teile der Partei werden vom Verfassungsschutz beobachtet. Es hätten sich in den ersten beiden Wahlgängen lediglich vier Abgeordnete jenseits der AfD statt parteipolitischen Interessen ihrem Gewissen verpflichten müssen, dem gesamten Volk zu dienen. Stattdessen lassen sich die Thüringer FDP und CDU, für einen Ministerpräsidenten mit Beteiligung einer rassistischen Partei leichter mobilisieren als sich zur Wahl eines etablierten und moderat linken Ministerpräsidenten zu enthalten.

Eine offene und stillschweigende Nähe zur AfD

Nicht nur die vergangenen Tage zeigten, dass einige CDU und FDP-Funktionäre auf Landes- und sicherlich auch auf Kreisebene nicht abgeneigt scheinen gemeinsam mit der AfD zu agieren. Bereits im November vergangenen Jahres forderten 17 Thüringer CDU-Parteimitglieder „ergebnisoffene Gespräche“ mit der AfD und stellten einen Bundesbeschluss „Koalitionen mit der Linke und AfD auszuschießen“ in Frage. Im vergangenen Jahr haben Recherchen von Report Mainz in 18 Kommunen Hinweise auf eine Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD ergeben. In einer Kommune wählten sogar die CDU, FDP und SPD gemeinsam einen NPD-Funktionär zum Ortsvorsteher. Im Herbst 2016 schlossen einige sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht aus. Auch nach den Landtagswahlen 2016 in Sachsen-Anhalt zeigten Teile der CDU nicht immer eine klare Haltung gegenüber der AfD. Laut einer Studie vom WZB (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung) resultiert das daher, dass „viele Abgeordnete der AfD ihre parteipolitischen Wurzeln in der CDU“ haben. Diese Beziehungsmuster seien wegweisend für eine offene oder stillschweigende Nähe. Außerdem „wird die AfD von CDU-Abgeordneten in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen als vergleichsweise moderat empfunden“. Eine klare Abgrenzung sieht anders aus.

AfD als reale Dystopie?

Laut einer Umfrage der YouGov sehen 48 Prozent der Deutschen, die AfD im Laufe der nächsten zehn Jahre in einer Landes- oder sogar Bundesregierung. Rund 26 bzw. 19 Prozent fänden das auch in Ordnung.

Hinsichtlich einer bundesweit abstürzenden SPD und nicht unumstrittener Rolle der CDU als Volkspartei und Sprachrohr der (National-)Konservativen und angesichts einer AfD, die im Osten relativ stark in Landesparlamenten vertreten ist und einigen CDU-Funktionären, die einer Zusammenarbeit mit der AfD nicht abgeneigt sind, ist es eine Frage der Zeit, bis die AfD in einem der neuen Bundesländer mitregiert. Auch könnte das Ausscheiden von AKK, die eine Zusammenarbeit mit der AfD explizit ablehnt, den Weg frei machen für jemanden, der sich im konservativen Flügel der CDU verortet. Wenn dann einige CDU-Politiker tatsächlich von volkshetzerischen und verfassungsrechtlichen Aspekten absehen und sich bereit zeigen mit einer starken AfD zusammen zu arbeiten, wird das Abgrenzen von fragwürdigen und teils xenophoben Politikinhalten für die CDU als Bundespartei nicht mehr funktionieren.

Die Turbulenzen in Thüringen sind ein Vorgeschmack dessen, was der Bundesrepublik bevorsteht, wenn die AfD in Landtagen nach immer größeren Stücken greift. Sollten in einigen Landtagen erste Regierungsbeteiligungen der AfD zustande kommen, werden sie auch Einfluss in den Bundesrat finden. Von dort aus lässt sich die Bundespolitik beeinflussen. Das sind nicht die besten Aussichten für die Zukunft der Bundesrepublik Deutschland.

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