Eine Sahne-Torte bekommt Christian Lindner in Bielefeld geschenkt. Er spricht über seine Entlassung aus dem Amt des Finanzministers, Kinderbetreuung, Bürokratie, Europa und die AfD.
„Ich begrüße Sie hier in der Kathedrale des Autos“, sagt Gregor vom Braucke, Direktkandidat für den Wahlkreis Bielefeld und beginnt das Grußwort. Das Grußwort halten Gregor vom Braucke und Fraktionsvorsitzende der FDP in Bielefeld Jasmin Wahl-Schwentker zusammen. Beide sind sich einig: Es braucht dringend eine Wirtschaftswende. Die Schuldenbremse müsse her. Rot-Grün müsse endlich die Macht abgeben, weil sie die Wirtschaft und den Auto-Verkehr vernachlässigten. Die CDU indes würde sich zu oft den Forderungen von Rot-Grün anpassen.
Tosender Applaus für Lindner in Bielefeld
Dann kommt der FDP-Vorsitzende Christian Lindner in den Saal. Begrüßt wird er von seinen Parteifreundinnen und Parteifreunden mit einer Sahnetorte, die, wie er sagt, einen „therapeutischen Charakter“ auf ihn hat. Denn er als Nachfahre von mehreren Generationen von Konditorenmeistern, zieht er die Sahnetorte einer Rasierschaumtorte vor.
Christian Lindner mahnt: „Aber in der Demokratie dürfen niemals Verrohung, Einschüchterung und gar Gewalt zur Mittel der politischen Auseinandersetzung werden.“ Und er fügt hinzu: „Wenn von Links gegen die FDP demonstriert wird – trotz Ampel – ist die FDP dann immer noch eine Partei der Mitte.“ Schlimmer fände er, wenn Handwerk und Mittelstand gegen die FDP protestieren würde.
Über die Entlassung vom Amt des Finanzministers
Christian Lindner hat auch noch etwas zu seiner Entlassung aus dem Amt des Finanzministers zu sagen. Er wurde im November von Olaf Scholz vor das Ultimatum gestellt, ob er die Wirtschaftspolitik von Olaf Scholz unterstützen wolle oder ob er an der Schuldenbremse festhält.
Da er an der Schuldenbremse festhielt, wurde er von Olaf Scholz aus dem Amt des Finanzministers entlassen.
Er sagt: „Ich habe mich entschieden, die FDP hat sich entschieden: Lieber werden wir entlassen, als die Verfassung zu beugen und die Untätigkeit in der Wirtschaftspolitik angesichts einer sich zuspitzenden Wirtschaftskrise weiter fortzusetzen.“ Die Wirtschaftspolitik von Olaf Scholz zu unterstützen bezeichnet der FDP-Vorsitzende Christian Lindner als eine „Unterwerfung“ und in so einem Fall hätten er und die FDP nicht nur ihre Selbstachtung verloren, sondern sie hätten dem Land auch geschadet, sagt er.
Auf Winterwahlkampf folgt politische Frühling
Christian Lindner sagt, dass es in der Demokratie auch immer eine Chance ist, wenn Bürgerinnen und Bürger eine Entscheidung treffen dürfen, zu der die Regierung und das Parlament nicht mehr die Kraft hätten.
Auf den Winterwahlkampf und sei es bei Minus-Graden, könne ein politischer Frühling folgen, so der FDP-Vorsitzende Christian Lindner. Er ist der Meinung, dass die aktuelle Politik das Land herunterwirtschaftet. „Die wirtschaftlichen Grundlagen des Landes gehen vor Sozialpolitik“, sagt er.
Lindner erzählt anekdotisch
Im April 2024 war er in Washington war er auf der Frühjahrstagung des internationalen Währungsfonds. Eine Tagung auf der 190 Finanzministerinnen und Finanzminister aus allen Ländern zusammen kommen und auch die Notenbankchefs. Der Vortrag zum Thema globale Wachstumsschwäche und Wirtschaftskrise wurde eingeleitet durch eine Szene aus Berlin.
Christian Lindner bewertet dies folgendermaßen: „Früher waren wir das Modell Deutschland, dem andere nacheilen wollten. Heute sind wir das Beispiel für die globale Wachstumsschwäche.“ Da habe er sich geschworen, dass er das nächste Mal, wenn er als Finanzminister an der Tagung des internationalen Währungsfonds teilnimmt, nicht als Beispiel für globale Wachstumsschwäche, sondern als Beispiel für den Mut zu strukturellen Reformen.
Angst und Politik
Die aktuelle Politik habe den Ernst der Lage noch gar nicht erkannt, sagt Christian Lindner. Die Grundlagen der Sozialpolitik und der ökologischen Verantwortung, sei die wirtschaftliche Grundlage des Landes, so Lindner. Zuerst müsse das wirtschaftliche Fundament wieder gestärkt werden. Das sei die oberste Priorität.
Er sagt auch, dass die Menschen Sorgen haben um ihre Arbeit. Dass es in der Automobilindustrie einen Jobabbau gibt und, dass seit 2019 kein wirtschaftlicher Wachstum in Deutschland zu verzeichnen ist, dass die Inflation daher rührt.
Christian Lindner und die Wahrheit über Deutschland
Christian Lindner sage die Wahrheit, da er selbst nichts mehr zu verlieren habe. Die Wahrheit sei, dass Deutschland inzwischen zu wenig arbeiten würde. Dass die 4-Tage-Woche, Home-Office und Work-Life Balance den wirtschaftlichen Wachstum behindern würden.
Er führt aus, dass weltweit noch nie eine Gesellschaft beobachtet wurde, die ihren Lebensstandard dadurch hielt, dass sie weniger arbeitet. Stärkeres Anstrengen, Bereitschaft zu unternehmerischem Risiko, Bereitschaft zur Veränderung seien indes der Schlüssel.
Mentalitäts-Verschiebung in der Bildungspolitik
Die Bundesjugendspiele ohne Leistungsfeststellung lehnt er ab. Ebenso den Verzicht auf Ziffernoten zu Gunsten stressfreier Bewertungsmethoden. „Denn wer die 5 im Diktat abschafft, schafft automatisch auch die 2 im Diktat ab, die man sich erarbeitet hat, wenn man vier Wochen nach der 5 sich hinsetzt und lernt, damit es nächstes Mal besser ist.“
Die Kinderbetreuung
Christian Lindner ist dafür die Kinderbetreuung zu verbessern, damit Menschen, die Teilzeit arbeiten müssen, aber lieber in Vollzeit arbeiten würden, dies auch tun können. Überstunden müssten sich wieder lohnen, so Lindner. Daher schlägt er vor bei den Zuschlägen für die Überstunden die Besteuerung abzuschaffen, damit die Leute wieder mehr arbeiten.
Tarif der Lohn- und Einkommenssteuer und der Solidaritätszuschlag
Der Tarif der Lohn- und Einkommenssteuer schaffe einen zu großen Abstand zwischen Brutto- und Nettoeinkommen. Den Solidaritätszuschlag bezeichnet er als „Wirtschaftsstrafsteuer“, da er von Leuten getragen wird, die durch ihre Qualifikation dafür geeignet sind oder dadurch, dass sie Verantwortung übernehmen für Arbeitende in ihren Betrieben oder Verantwortung tragen für private Investitionen.
Lindner über das Bürgergeld
„Sorgen wir dafür, dass das Bürgergeld nicht mehr missverstanden werden kann als eine Form des bedingungsloses Grundeinkommens, sondern erinnern wir daran, dass Solidarität nie eine Einbahnstraße ist.“
Lindner erinnert daran, dass er als Finanzminister die Reform des Bürgergelds vorgeschlagen hat. Jetzt habe die SPD erkannt, dass das Bürgergeld toxisch geworden ist, da Bürgergeldempfängerinnen denselben Lebensstandard hätten wie arbeitende Familien.
Arbeitsanreize
Christian Lindner plädiert für Arbeitsanreize, damit das Bürgergeld weniger attraktiv ist. In diesem Rahmen sieht er es als realistisch an den Grundfreibetrag um 1.000€ zu erhöhen, da durch weniger Bürgergeld Steuergelde eingespart werden würden. Er sagt, dass vor allem Geringverdienerinnen davon profitieren würden.
„Wir haben bald 1 Billionen Euro Steuereinkommen im Jahr!“
Der Staat habe nicht zu wenige Mittel um Christian Lindner Vorschläge zu realisieren, der Staat gehe nicht effektiv mit seinen Mitteln um. Lindner sagt: „Wir haben bald 1 Billionen Euro Steuereinkommen im Jahr!“.
Weniger Bürokratie, statt Subventionen
Statt Subventionen einzusetzen, wie SPD und Grüne es vorschlagen, schlägt Christian Lindner vor:
Das Arbeitszeitgesetz soll auf europäisches Minimum reduziert werden, Lieferketten- und Sorgfaltspflichtgesetze sollen entfallen, Nachhaltigkeitsberichterstattung soll nicht mehr gefordert werden und alle Dokumentationspflichten sollen ausgesetzt werden.
Dokumentationen sollen wiedereingeführt werden, wenn sie in Christian Lindners Worten „gelesen werden“. Das sei eine Befreiung von der Bürokratie, damit der Staat wieder agiler sein kann.
Lindners Prognose für die Wahl
Lindern prognostiziert, dass Friedrich Merz (CDU) bei den Wahlen am 23. Februar 2025 Bundeskanzler wird. Die Möglichkeiten, dass die CDU Koalitionen eingeht mit der SPD und den Grünen bezeichnet er als einen „Kanzler-Wechsel bei der gleichen Politik“.
Eine Koalition der CDU und FDP wäre jedoch ein „echter Politik-Wechsel“ und ein Richtungswechsel. Die Zeit wäre reif für eine schwarz-gelbe Koalition, die die Probleme unseres Landes löst, sagt er.
AfD nicht unterschätzen in ihrer Gefährlichkeit
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner sagt, dass die Gefahr durch die AfD nicht zu unterschätzen ist. Er führt fort, dass man viele gemäßigte Wählerinnen und Wähler der AfD wieder für die demokratische Mitte zurück gewinnen kann, wenn den Wählern Perspektiven gegeben wird.
Keine Seele darf verloren gehen
„Und das müssen wir versuchen, nicht nur aus machtpolitischen Gründen, sondern aus demokratiepolitischen Gründen müssen wir diesen Versuch unternehmen“, sagt er und fügt hinzu: „Liberale Parteien, demokratische Parteien dürfen nicht reden wie Rechtspopulisten. Wir dürfen nicht so werden wie die Rechtspopulisten. Aber wir müssen als demokratische Parteien immer den Versuch unternehmen den Menschen eine Alternative zu den Rechtspopulisten zu bieten. Wir müssen den Menschen sagen, dass Demokratie liefert bei den geforderten Problemen Lösungen. Es darf keine Seele in der Demokratie endgültig verloren gehen.“
Die AfD ist eine für unser Land gefährliche Partei
Eine Partei die Ressentiments pflegt und den Gedanken einer Remigration steht, steht gegen die Liberalität unseres Landes, sagt Lindner. Lindner spricht sich auch für eine kontrollierte Migration aus. „Es ist unser gutes Recht, dass wir entscheiden, wer darf kommen und wer muss gehen“, sagt er.
Lindner: „Unser Bild ist eine vielfältige, tolerante Gesellschaft“
„Anders als die AfD haben wir nicht das Bild eines ethnisch-kulturell-religiösen homogenen Volkskörpers, sondern unser Bild ist eine vielfältige tolerante Gesellschaft, weil wir uns jede und jeden individuell ansehen. Wir beurteilen Menschen nicht nach ihrer Gruppenzugehörigkeit, nach ihrer Ethnie, nach ihrer Religion oder nach ihren kulturellen Vorlieben, sondern nur danach ob jemand unsere gemeinsamen Werte des Grundgesetzes teilt. Wer das tut, der ist uns willkommen“, sagt Christian Lindner.
Das Gespräch Elon Musks mit Alice Weidel deutet Christian Lindner als einen Akt, der die deutsche Demokratie destabilisieren und chaotisieren soll. Er führt weiter aus: „Keine Patriotin und kein Patriot darf die AfD wählen, wenn es um unser deutsches Vaterland geht.“
EU-Austritt nicht wirtschaftspolitisch sinnvoll
Ein EU-Austritt wie ihn die AfD fordert, ist wirtschaftspolitisch nicht sinnvoll, so Lindner. Die Idee der Europäischen Union ist auch einen Raum der Freiheit zu haben, einer wirtschaftlichen Freiheit genauso, wie einer Freiheit des Studierens und Reisens.
Angesichts der Veränderungen in der Welt: Das Dominanzstreben Chinas, der erratischen Politik eines Donald Trumps und des russischen Angriffs auf die Ukraine müsste eine Europäische Union unterstützt und gestärkt werden, so Lindner.