In Jemen herrscht seit acht Jahren ein Bürgerkrieg, jedoch mit internationaler Beteiligung. Nach Angaben der Vereinten Nationen ist der Bürgerkrieg im Jemen die größte humanitäre Katastrophe unserer Zeit. Das sind die Hintergründe.
Jemen galt bereits vor dem achtjährigen Bürgerkrieg als Armenhaus der arabischen Welt. Die Lage hat sich durch den Bürgerkrieg dramatisch verschlechtert. Die Vereinten Nationen geben an, dass es 4,5 Mio. Binnenflüchtlinge gibt.
Humanitäre Unterstützung brauchen über 21 Mio. von ungefähr 30,5 Mio. Menschen. Keinen sicheren Zugang zu Nahrungsmittel haben ungefähr 17 Mio. Menschen. An akuter schwerer Unterernährung leiden sogar 2,2 Mio. Kinder.
Die Chronologie eines internationalen Bürgerkriegs
Die Vorzeichen des beginnenden Bürgerkriegs gab es bereits 2011 in manchen Regionen als gewaltsame Konflikte um Macht und Ressourcen. 2014/15 begann der Bürgerkrieg im Jemen mit der Einnahme der Hauptstadt Sana’a durch die Huthi Rebellen. Die Huthi Rebellen nahmen gemeinsam mit Anhänger*innen des 2011 gestürzten Präsidenten Ali Abdallah Salih die Hauptstadt ein.
Unter zunehmendem Druck der Huthis trat im Januar 2015 Präsident Abd Rabbuh Mansur Hadi zurück und floh aus der Hauptstadt, um in Saudi Arabien um Unterstützung zu bitten. Im März 2015 griff das saudische Königreich in den Konflikt im Jemen ein.
Mit militärischer Hilfe der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) gelang es den lokalen südjemenenitischen Kräften im Sommer 2015 Aden und weite Teile des Südens von den Huthi und Salih Milizen zu befreien. Die Huthi Milizen töteten ihren Verbündeten Ali Abdallah Salih im Dezember 2017.
Zwischen April und Oktober 2022 gab es einen mehrmonatigen Waffenstillstand und eine fortgesetzte Waffenruhe ohne formales Abkommen. So haben sich die Kriegshandlungen vor allem auf die Wirtschaft verlagert zum Leid der Jemenit*innen.
Die Akteure des Bürgerkriegs im Jemen
Derzeit stehen den Huthi Milizen unterschiedliche und teilweise miteinander verfeindete Akteure gegenüber. Alle diese Akteure haben ihre eigene Agenda. Der Rat unter Rashad al-Alimi ist nach dem Rücktritt von Präsident Hadi entstanden. Da alle in diesem Rat vertretenen Kräfte ihre eigenen Agenda haben, erweist es sich für schwierig für die Huthis mit ihnen zusammen zu arbeiten.
Dasselbe gilt für die südjemenitischen Kräfte. Der Südübergangsrat, der von den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt wird und die Unabhängigkeit des Südjemens im Sinne eines Südarabiens anstrebt, erweist sich als unmöglicher Kooperationspartner für die Huthis. Bis zur Vereinigung im Jahr 1990 waren die beiden Landesteile Südjemen und Nordjemen eigenständige Republiken.
Ein Stellvertreterkrieg: Saudi Arabien und der Iran
Der Iran hat in Syrien, im Irak, in Bahrain und im Libanon seine Finger im Spiel. Saudi Arabien fühlt sich dadurch zunehmend von iranischen Gruppen umzingelt. Zudem gilt der Iran als regionaler Erzrivale der Vereinigten Arabischen Emirate. Deswegen geht die Islamwissenschaftlerin und Vorsitzende des „Center for Applied Research in Partnership with the Orient“ (CARPO) Dr. Marie-Christine Heinze davon aus, dass Saudi Arabien in den Konflikt im Jemen eingegriffen hat, weil die Huthis vom Iran unterstützt werden. Das Ziel sei es gewesen zu verhindern, dass an der Südflanke des saudischen Königreichs ein weiteres Land unter dem Einfluss des Irans gerät. Ein starker iranischer Einfluss in den Kriegs- und Krisengebieten schwächt die regionale Rolle der Vereinigten Arabischen Emirate, so vermuten die VAE. Dies würde sich auch auf die Stabilität des Königshauses auswirken.
Durch Waffenlieferungen, aber auch logistisch und finanziell unterstützt der Iran die Huthis seit Jahren. Die Vereinigten Arabischen Emirate nehmen die Huthis jedoch nicht als einen vom Iran gesteuerten Akteur wahr, sondern als einen Akteur um den es sich zu kokettieren lohnt. Zumal sich die Huthis auch mal gegen Ratschläge vom Iran entschieden haben.
Militärische Unterstützung erhält die saudisch-geführte Koalition durch die USA und Großbritannien. Während in den USA und in Großbritannien angesichts der humanitären Lage im Jemen Widerstand gegen die militärische Unterstützung der saudisch-geführten Koalition wächst, ist dies eher ein hintergründiges Thema in Deutschland.
Auch Deutschland unterstützt den Jemen
Auch Deutschland unterstütz im Einklang mit der UN-Sicherheitsresolution 2216 die international anerkannte jemenitische Regierung. Mit Unterbrechungen aber immer wieder unterstützt Deutschland die jemenitische Regierung mit Waffenlieferungen an Saudi Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Amnesty International berichtete, dass deutsche Waffen unter anderem auch in die Hände der Milizen landen, die von den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt werden. Diesen Milizen werden Menschenrechtsverstöße vorgeworfen.
Neben Waffenlieferungen unterstützt Deutschland den Jemen als einer der größten internationalen Geldgeber für humanitäre Hilfe. Zudem ist Deutschland eines der wenigen Länder, die über den gesamten Bürgerkrieg hindurch seine Entwicklungszusammenarbeit mit dem Jemen aufrecht erhalten hat.
Außerdem unterstützt Deutschland den UN-Sondergesandten Hans Grundberg in dem Bestreben einer Erneuerung des Waffenstillstands und einer Wiederbelebung der Friedensverhandlungen.
Schlussbetrachtungen
Der Jemen kann erst zum Frieden und zurück zu einer Ordnung finden, wenn die VAE und der Iran endlich ihre Finger aus dem Spiel nehmen. Unruhen im Jemen bringt beiden Parteien nichts, zumal die Huthi sich anscheinend nicht immer auf den Iran zu verlassen scheinen, sondern ihre eigene Agenda verfolgen.
Auch die Unruhen an der jemenitisch-saudischen Grenze zeigen: Langfristig ist der Bürgerkrieg im Jemen für alle Parteien kontraproduktiv und führt zu immer mehr Flüchtlingen. Die Vereinigten Arabischen Emirate fachen den Konflikt im Jemen an, aber Flüchtlinge aus dem Jemen nehmen sie auch nicht auf.
Die VAE geht mit einer besonderen Härte gegen Flüchtlinge aus dem Jemen vor, seien es Jemenit*innen oder Menschen anderer ethnischer Zugehörigkeiten. Betroffene Flüchtlinge berichten, dass saudische Grenzbeamte sie gefragt hätten, in welches Körperteil sie schießen sollen, bevor sie schossen.
Vermutlich wird in einem so lange andauernden Konflikt auch nicht nur ein Sondergesandter des UN reichen, sondern eine Kommission ist nötig. Da wo ernste Absichten sind, ist ein großes Engagement nötig.
Statt im Stillen den Jemen mit Waffen zu versorgen, kann sich auch Deutschland stärker an Friedensgesprächen beteiligen.