Zum UN-Weltflüchtlingstag wurden neue Zahlen zu den weltweiten Flüchtlingsbewegungen veröffentlicht. Laut dem UNHCRs Global Trends 2020 sind schätzungsweise 82,4 Millionen Menschen vor Verfolgung und Konflikten sowie politischer Instabilität geflohen. Es ist die höchste Zahl, die je seit Bestehen der UNHCR gemessen wurde. Im Vergleich zum vergangenen Jahr ist die Zahl der Geflüchteten mit rund 2,9 Millionen um 4 Prozent gestiegen. Damit ist die Anzahl der vertriebenen Personen doppelt so hoch wie 2010 (41 Millionen). Vorläufige UNHCR-Daten zeigen, dass unter Umständen der Corona-Pandemie Mobilitätseinschränkungen und Grenzschließungen die Ankünfte neuer Flüchtlinge und Asylsuchender um rund 1,5 Millionen geringer ist als die erwartete Schätzung ohne Corona. Die Zahl der Flüchtlinge, die dank des Resettlement-Programms Schutz in einem Drittland fanden, ist auf 34.400 Menschen (2019: 107.800) um ein Drittel gesunken. Dies ist der niedrigste Wert in den letzten 20 Jahren. Dennoch ist die Anzahl der Flüchtlinge zum neunten Mal in Folge gestiegen und weist auf einen steigenden Trend der weltweiten Flüchtlingsbewegungen hin.
Bei den 82,4 Millionen Vertriebenen handelt es sich um 26,4 Millionen Flüchtlinge, von denen 20,7 Million unter dem UNHCR-Mandat stehen und zuzüglich 5,7 Millionen palästinensische Flüchtlinge, die vom UNRWA (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East) betreut werden. Dazu kommen die rund 48 Millionen Binnenvertriebene, also Flüchtlingsbewegungen innerhalb eines Staates. Die weltweiten Asylanträge werden auf 4,1 Millionen beziffert. Offiziell wurden allein im Jahr 2020 rund 11 Millionen Menschen vertrieben, von denen 1,4 Millionen Menschen ihr Heimatland verlassen haben. Darüber hinaus sind unter den 26,4 Millionen Vertriebenen, die ihr Land verlassen haben, 10,1 Millionen (42 Prozent) minderjährig.
Dem UNHCR-Bericht nach stammen knapp zwei Drittel aller Flüchtlinge aus nur fünf Ländern: Syrien (6,8 Millionen), Afghanistan (2,8 Millionen), Südsudan (2,2 Millionen), Myanmar (1,1 Millionen). In Venezuela haben bisher 4,9 Millionen Menschen Land bereits verlassen. Die führenden Aufnahmestaaten sind die Türkei mit 3,7 Millionen aufgenommenen Flüchtlingen, gefolgt von Kolumbien mit 1,7 Millionen Menschen, überwiegend aus Venezuela, gefolgt von Pakistan, Uganda (mit jeweils 1,4 Millionen) und Deutschland (1,2 Millionen). Die meisten Flüchtlinge, im Verhältnis zur Bevölkerung, haben Aruba mit rund 16 Prozent und der Libanon mit knapp 13 Prozent. In der Türkei sind zurzeit fast 4,5 von 100 Personen Flüchtlinge.
In Entwicklungsländern befinden sich 86 Prozent aller Flüchtlinge, von denen wiederum 27 Prozent in den am wenigsten entwickelten Länder aufgenommen wurden. Vor allem Staaten, die an Krisenregionen grenzen, sind zunehmend von den Auswirkungen der steigenden Migrationsströme betroffen. Drei von vier Flüchtlingen leben in einem Nachbarland ihres Herkunftsstaates. Um dies zu bewältigen, forderte Filippo Grandi bereits 2019 mehr regionale und internationale Zusammenarbeit, um insbesondere Konflikte in benachbarten Krisenstaaten zu lösen. Ein Beispiel für eine erfolgreiche Zusammenarbeit sei laut dem UNHCR-Kommissar der Gambia-Konflikt von 2016. Nach der Lösung des Konflikts seien 50.000 Gambianer in das Land zurückgekehrt. Doch im vergangenen Jahr ist die Anzahl derer, die in ihr Herkunftsland zurückkehrten um 21 Prozent auf 251,000 Menschen gesunken.
Ulrike Krause, Juniorprofessorin für Flucht- und Flüchtlingsforschung am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Universität Osnabrück, weist daraufhin, dass die UN lediglich Flüchtlinge nach den Kriterien der Genfer Flüchtlingskonvention zählen. Demnach seien Umwelt- und Klimaflüchtlinge, Wirtschaftsflüchtlinge und andere, die nicht die Kriterien erfüllen, unzureichend berücksichtigt. Das Monitoring-Zentrum für Binnenvertreibung (IDMC) erhebt seit 2008 Daten über klima- und umweltbedingte Flucht und beziffert für 2019 die Anzahl der Menschen, die aufgrund Naturkatastrophen geflohen sind, auf insgesamt 24,9 Millionen zusätzlich zu den 8,5 Millionen Vertriebenen durch Gewalt und Konflikten.
Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen Filippo Grandi rief zu mehr „politischen Willen auf, Konflikten und Verfolgungen entgegenzuwirken, die Menschen zur Flucht zwingen“. Nur so könne „der rechtliche Rahmen der Flüchtlingskonvention von 1951 und der Global Compact on Refugees“ gewährleistet und die „Achtung der Menschenrechte sichergestellt“ werden. Die Zahlen zu den Flüchtlingsbewegungen aufgrund von Naturkatastrophen, dürften im Zuge des Klimawandels in Zukunft unausweichlich den Fokus auf Klimaflüchtlinge richten.